Die Butzbacher Zeitung schreibt über die Weidigschule Butzbach

Für Freiheit und Menschlichkeit

Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht 1938 am Gedenkstein am Synagogenplatz

Butzbach — Am Sonntagabend fand an dem Standort der ehemaligen Synagoge in der Wetzlarer Straße gegenüber dem Hallenbad die jährliche Feier zum Gedenken an die gewaltsamen Ausschreitungen im November 1938 statt. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurde das zentrale Symbol jüdischen Lebens, die Synagoge in Butzbach, von Nationalsozialisten in Brand gesetzt. Daraufhin brannte das Gotteshaus vollständig nieder.
Zu der Gedenkfeier hatten die Stadt Butzbach, die evangelische Markus-Kirchengemeinde, die katholische Pfarrei Sankt Gottfried, die jüdische Gemeinde Bad Nauheim und der Ausländerbeirat der Stadt Butzbach eingeladen. Bürgermeister Sascha Huber erinnerte daran, dass in dieser Nacht „in ganz Deutschland Synagogen brannten, Menschen entrechtet, misshandelt und gedemütigt wurden.“ Heute, 86 Jahre später, sei dieses Erinnern durch antisemitische Parolen, VerschWörungstheorien und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aktueller denn je. ,,Geschichte wiederholt sich nicht automatisch, aber sie mahnt uns: Schweigen schützt nicht, Wegschauen ist Mitverantwortung.“

Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim, Manfred de Vries, konstatierte, dass die Gewaltbereitschaft gegen jüdische Mitbürger wieder zunehme. Der Unterschied zu damals sei jedoch, „dass der Staat heute hinter uns steht“. In Butzbach sei er heute unter Freunden zu Hause.
Pfarrer Jörg Wiegand von der Markus-Kirchengemeinde erinnerte mit einem Zitat aus Psalm 32 an die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen, dass „wir nur gesunden werden, wenn wir alle unsere eigene Schuld, unser eigenes Versagen bekennen“. Darum sei das Gedenken des Vergangenen und besonders der Untaten unserer Vorfahren an die systematische Ermordung des europäischen Judentums lebenswichtig für uns alle. Die jüngsten Entwicklungen machten deutlich, wie dünn und fragil der zivilisierte Firnis für dumpfe Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und auch wieder den Antisemitismus sei. „Wir müssen stärker und überzeugender als bisher für unsere Freiheit und Menschlichkeit eintreten.“ Dazu gehöre auch die Erinnerung an die schändlichen Taten der Vergangenheit, wie Wiegand unterstrich.
Patrick Wach, der Gemeindereferent der katholischen Pfarrei Sankt Gottfried in Butzbach, bat in seinem Gebet, dass der Glaube „unsere Stimmen laut vernehmbar werden lasse gegen Gewalt und Unrecht“.
Den Opfern Namen geben
Für jedes in der Nacht am 9. November 1938 getötete Mitglied der jüdischen Gemeinde zündeten die Schüler des Geschichtskurses der Klasse 13 des Weidig-Gymnasiums eine Kerze an und verlas deren Namen. Die Leiterin des Kurses, Andrea Schreiber-Guth, war unter den vielen Bürgern, die an der Veranstaltung teilnahmen. Auffallend war wieder die immer noch notwendige massive Absicherung des Platzes durch den Bauhof, an die man sich nur schwer gewöhnen kann.
In seinem Schlusswort drückte Bürgermeister Huber die Hoffnung aus, dass das, „was wir heute hier gemeinsam gespürt und bedacht haben, in uns nachwirkt: als Ermutigung hinzusehen, wenn Unrecht geschieht, als Antrieb aufzustehen, wenn Menschen ausgegrenzt werden und als Einladung, Brücken zu bauen zwischen Religionen, Generationen und Lebenswelten. Lassen Sie uns in dieser Haltung des Respekts weitergehen — gemeinsam, aufmerksam und
mit offenem Herzen.“

Butzbacher Zeitung, 11.11.2025

Trotz des leichten Regens war die Beteiligung an der Gedenkveranstaltung sehr groß. Kränze legen (v.l.) Pfarrer Jörg Wiegand, Gemeindereferent Patrick Wach, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Manfred de Vries, Bürgermeister Sascha Huber und die Vorsitzende des Ausländerbeirates Butzbach, Servet Yildrim, nieder. Schüler des Geschichtskurses der 13. Jahrgangsstufe der Weidigschule verlesen die Namen der am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten in Butzbach getöteten jüdischen Bürger.

RÜDIGER FANSLAU (4)

Der Posaunenchor der evangelischen Kirchengemeinde begleitet musikalisch die Gedenkfeier.